Wenn das Leben dir Essig gibt, mach Cocktails draus

Einen Spritzer Essig im Drink? Mag man sich kaum vorstellen. Mit Früchten und Zucker wird daraus allerdings ein Sirup, den Bartender raffiniert zu einem Shrub mischen. Von Eva Biringer aus der ZEIT vom 31. August 2018


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Essig im Getränk? Jawohl. In früheren Zeiten wurde so verunreinigtes Wasser wieder trinkbar. Heute gibt es ihn in ambitionierten Bars in Form eines Shrubs, einem Essigsirup auf Fruchtbasis. Abgeleitet ist der Begriff vom arabischen sharab, was übersetzt trinken bedeutet, oder von sharba, zu Deutsch Sirup. Vorsicht vor Verwirrung: Im Englischen bedeutet shrub eigentlich Busch. Ursprünglich stammt das gleichnamige Getränk aus Großbritannien und enthielt ab dem 17. Jahrhundert Fruchtlikör und eine Spirituose, meistens Brandy, in nicht gerade kleinen Mengen. Von dort gelangte es in die USA, wo der Likör durch Fruchtessig ersetzt wurde. Im 19. Jahrhundert wurde der Shrub von Anhängern der Abstinenzbewegung in etwas verwandelt, das auch Kindern schmeckt und das viele von ihnen noch heute als Homemade Lemonade auf den Bürgersteigen amerikanischer Kleinstädte verkaufen. Die Limonade war geboren. Besonders zu Zeiten der Prohibition fanden viele Gefallen an diesem Wasser mit Geschmack. Über die Jahre geriet der Shrub in seiner ursprünglichen Version in Vergessenheit. Wer würde bei Himbeerlimonade an Hochprozentiges denken?

Heute sind Shrubs beides: eine alkoholfreie Alternative, die in Mocktails Verwendung findet, und ein Experimentierfeld für Bartender. Durch das Zusammenspiel von Frucht und Säure entsteht Spannung, so kann ein Shrub Zutaten betonen und neue Aromen erschließen. Manche gehobenen Restaurants schätzen ihn als Aperitif, weil er den Gaumen stimuliert, andere bauen ganze Cocktailkarten auf ihm auf. Die Zutaten lassen sich in beinahe unendlicher Form variieren und sind längst nicht mehr auf rote Beeren beschränkt. Es gibt Shrubs auf Basis von roter Bete, Weintrauben oder zerstoßenen Tomaten, Zucker und Basilikum. Äpfel, Birnen, Pflaumen, Pfirsiche und Zitrusfrüchte funktionieren aber ebenso gut. Bestenfalls kommen die Früchte aus dem eigenen Garten oder müssen sowieso irgendwie verwendet werden.

Das Tolle für alle Freizeittrinker ist, dass sich Shrubs leicht selbst herstellen lassen. Man braucht für den Sirup nur drei Zutaten: Früchte, Essig, Zucker. Auf eine Tasse Frucht rechnet man circa eine halbe Tasse Zucker und eine halbe Tasse Wasser. Vermischen, über Nacht ziehen lassen. Dann durch ein Sieb streichen und mit ein bis zwei Teelöffeln Essig vermischen. Apfelessig eignet sich am besten, ebenso ein heller Aceto Balsamico. Durch den Essig ist der Sirup im Kühlschrank einige Wochen haltbar. Ohne Alkohol, aufgegossen mit Mineralwasser oder Ginger Beer, entsteht so ein erfrischendes Getränk, aber Bourbon passt nun mal auch sehr gut dazu.

Alvaro Rodrigo Piña Otey hat schon seit Jahren die Limonade durch Shrubs ersetzt. Er schwärmt von ihrer Komplexität und mag die Idee, eine vergessene Tradition neu zu beleben: "Es erschließt sich ein neues Geschmacksuniversum", sagt er. Im Hamburger Bistro Carmagnole, das er gemeinsam mit Maria Endrich betreibt, serviert Otey den Monsieur Provocateur, einen komplexen Champagnercocktail mit Gin, roter Bete und Schwarzteearomen. Erfunden hat ihn der Franzose Nico de Soto, der 2014 zum besten Bartender der Welt gekürt wurde. Dieser Drink ist die hohe Schule der Shrubs, aber man kann ja erst mal mit Champagneressig und Rosenblüten anfangen.

Monsieur Provocateur

Zutaten:

  • 4,5 cl Gin-Schwarztee-Infusion (Rezept siehe unten)
  • 2,2 cl Rote-Bete-Granatapfel-Rosen-Champagner-Shrub (Rezept siehe unten)
  • 1,5 cl Verjus

Zubereitung:

Alle Zutaten zusammen mit vier bis fünf Eiswürfeln in einen Cocktailshaker füllen. Schütteln, abseihen und mit sechs Zentilitern Champagner auffüllen. Einmal vorsichtig umrühren und sofort servieren.

Rezept für Gin-Schwarztee-Infusion:

Zutaten:

  • 700 ml Hendrick’s Gin
  • 25 g Yorkshire-Schwarztee, lose

Zubereitung:

Tee mit Gin übergießen, umrühren und drei Minuten ziehen lassen. Durch ein Passiertuch streichen und in eine Flasche umfüllen.

Rezept für Rote-Bete-Granatapfel-Rosen-Champagner-Shrub

Zutaten für ca. drei Flaschen:

  • 1,5 l Granatapfelsaft, frisch gepresst
  • 500 ml Rote-Bete-Saft, frisch gepresst
  • 250 ml Champagneressig-Rosen-Infusion (Rezept siehe unten)
  • 2 kg Zucker

Zubereitung:

Alle Zutaten in einem Topf erwärmen, bis sich der Zucker vollständig aufgelöst hat. Abkühlen lassen und in Flaschen umfüllen.

 

Rezept für Champagneressig-Rosen-Infusion

Zutaten:

  • 1 l Champagneressig
  • 40 g Rosenblüten, getrocknet

Zubereitung:

Rosenblüten mit Essig in einen Behälter oder einen zum Vakuumieren geeigneten Beutel geben und zwei Tage ziehen lassen.

Durch ein Sieb abseihen und in eine Flasche umfüllen.

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